28C3: Tag 0

2011-12-27 / blinry / CC BY-SA 4.0 / german, travel, report

Mit einem prall gestopften großen Rucksack und einem kleinem Rucksack, in dem ein süßer Stoffbär sitzt, mache ich mich auf den Weg zu meinem ersten Chaos Communication Congress, dem 28C3. Das Packen war am Ende doch noch hektisch geworden, ich führe mindestens 9 Kabel und 6 Geräte mit, zur fachlichen Lektüre eine alte Ausgabe der Unix Power Tools, ein legendäres Buch über die grundlegenden Werkzeuge, die auch auf der Linux-Kommandozeile zum Einsatz kommen. Die Fahrt zu meinem ersten Zwischenhalt habe ich genutzt, um ein grobes Programm für die kommenden Tage zusammenzustecken. Wow, coole Sachen dabei, viel Foodhacking (Hackerbrause selbst brauen!), und ich freue mich besonders auf den Vortrag über die r0ket, ein kleines Stück frei programmierbarer Hardware mit kleinem Display und Knöpfen (eines der Logos des CCC ist die Rakete Fairy Dust). Bekanntheiten wie Cory Doctrow und Dan Kaminsky muss man auch live sehen, ansonsten lautet mein Maßstab: Auf das konzentrieren, was man nicht ohnehin hinterher in den Stream-Aufzeichnungen sehen kann.

Jetzt sitze ich am Wolfsburger Hauptbahnhof und fühle mich unwohl. Bahnhöfe sind kalte, ungemütliche Orte voller seltsamer Leute. Wobei “seltsam” hier je nach Wunsch “aufgetakelt”, “aggressiv” oder “betrunken” bedeuten kann. Auf der Bank gegenüber konnte eine Frau gerade ihren Mann nur durch kräftiges Ziehen dazu bewegen, mit auf den Bahnsteig zu kommen, wo “IN VIER MINUTEN!!!” der Zug fahren sollte. Der antwortete stets: “Ich komm gleich…”.

Bei der Bestellung war mir gar nicht aufgefallen, dass die Anbindung hier nicht “20:50 Ankunft, 20:55 Weiterfahrt” lautete, sondern “21:55 Weiterfahrt”. Naja. Solange ich noch Saft im Akku habe, kann ich die Zeit ja gut nutzen.

Was verspreche ich mir davon, zum Congress zu fahren? Die letzten beiden Jahre habe ich mich ausgiebig den Streams gewidmet, 2009 von zu Hause aus, 2010 bei einem dezentralen Stream-guck-Treffen, die damals nach dem Motto des Congresses (“We come in peace”) Peacemissions genannt wurden. Dieses Jahr lautet das Motto “Behind enemy lines”, weshalb die Treffen unter “No nerd left behind” laufen, im Folgenden NNLB abgekürzt. Der in momentan in Braunschweig entstehende Hackerspace Stratum 0 wird, gemeinsam mit der Fachgruppe Informatik der TU Braunschweig, ein solches Treffen organisieren und ich werde mich bemühen, möglichst viel von meinen Eindrücken “nach Hause” zu senden.
Dieses Jahr bin ich also persönlich da, kann Workshops besuchen, Hacking Areas besuchen, r0kets kaufen, und viel von der Atmosphäre des Congresses selbst schnüffeln. Ich möchte herausfinden, ob sich eine persönliche Teilnahme auch nächstes Jahr lohnt. Weitere Ziele: Kunde von Stratum 0 verbreiten und Tipps für unser weiteres Vorgehen sammeln. Nette Leute mit ähnlichen Interessen kennen lernen. Einige Berliner Hackerspaces besuchen. Und ganz viel Inspiration mitnehmen, welche Gebiete noch hack-bar sind.

Von einem Kommilitonen habe ich eine Prepaid-SIM-Karte von blau.de ausgeliehen, sodass ich unterwegs und in der Berliner Wohnung meines Vaters Internetzugang habe - eine ganz neue Erfahrung für mich. Habe erstmal eine 100 MB-Flatrate draufgebucht (nach diesem Volumen wird auf 54 kb/s gedrosselt, yay, wie früher!). Das klingt nach lächerlich wenig, aber das ist schon eine Menge Holz, wenn man keinen Multimedia-Krempel aufruft. Man wird sehen, wie ich damit auskomme.
Klar, auf dem Congress gibt’s auch WLAN (ich bin mir sicher, davon wird noch zu hören sein) und dickes Kabelinternet, aber solche Dinge wie Mails abrufen möchte ich nicht unbedingt aus dem Congressnetz heraus, da ich mir der Sicherheit meines Mailservers nicht allzu sicher bin. Zitat Veranstaltungs-Wiki: “…wenn du dir dein Passwort nicht vom Schwarzen Brett abholen möchtest” :-)


So, Zug pünktlich und Steckdosenplatz, dann kann ja nichts mehr schief gehen. Die Autotürme blinken mir zum Abschied. Vielleicht noch einige ganz grundsätzliche Anmerkungen zu der Veranstaltung, zu der ich da fahre: Der Chaos Computer Club ist eine nach eigener Beschreibung “galaktische Organisation”, die in den letzten Jahrzehnten viel zur technischen Aufklärung in Deutschland beigetragen hat. Der Congress ist ihre jährliche Veranstaltung, in der das Zusammenspiel von Technologie und Gesellschaft mit starkem Fokus auf die Zukunft im Vordergrund steht. Sie bringt Ähnlichgesinnte zusammen, damit diese voneinander lernen können. Die Teilnehmer werden oft (auch von sich selbst) als “Hacker” bezeichnet, was für uns keine negative Konnotation hat, sondern einfach Leute bezeichnet, die ganz in ihrem Fachgebiet aufgehen, die Technologie auf ungewöhnlche Weise nutzen, die daran interessiert sind, wie Dinge funktionieren. Und die dann oft wild auf ihrer Tastatur “herumhacken”. Also, morgen geht’s auf den Hackerkongress. Whee!


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